Guckloch stellt vor
Guckloch möchte heute ein Buch von Michael Hartmann, einem renommierten Elitenforscher, vorstellen.

Die Eliten werden immer mehr zu einer geschlossenen Gesellschaft. Das gilt nicht nur für die Wirtschafts-, sondern zunehmend auch für die politische Eliten. Ihre Lebenswelten und die der Bevölkerung driften seit Jahrzehnten auseinander. Sie glauben, dass für sie eigene Regeln gelten und produzieren einen Steuer- und Finanzskandal nach dem anderen. Hartmann benennt die Folgen: Rechtspopulismus und Politikverdrossenheit. Die einen schimpfen auf „die da oben“, andere auf das Elitenbashing.
Parallelwelt mit eigenen Regeln
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Begriff „Elite“ für Jahrzehnte weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwunden. Seine Renaissance erlebte er nach dem Zusammenbruch des Ostblocks. Da wurde von den Medien und Politikern und Wirtschaftsvertretern eine Rückbesinnung auf die Vorzüge von Eliten verlangt. Deutschland war nach dem Ende des Viermächtestatus wieder einer der wichtigen und auch politisch uneingeschränkten handlungsfähigen Mächte der Welt. Große Teile der herrschenden Eliten glaubten deshalb, man können und müsse die Skrupel gegenüber dem Elitebegriff, die aus den Verbrechen der Nazizeit herrührten, nun endlich ablegen. Seinen vorläufigen Höhepunkt fand diese Entwicklung in der Excellenteninitiative für den Hochschulbereich. Man verzichtete zwar seitens der politisch Verantwortlichen letztlich offiziell auf den Begriff „Elite“, um die gesamte Initiative nicht durch die Wahl des Begriffs zu gefährden, der bei der Basis von SPD und Grünen als umstritten galt. Dennoch war der Titel „Eliteuniversität“ schnell in aller Munde. „Elite“ war zumindest in der medialen Öffentlichkeit wieder zu einem überwiegend positive besetzten Begriff geworden.
Mit dem Ausbruch der Finanzkrise war diese positive Wende knapp zwei Jahrzehnte später schon wieder vorbei. Hatten die rasant angestiegenen Managergehälter und einzelnen Skandale um Steuerhinterziehung bereits vor 2008 immer wieder für skeptische Stimmen gesorgt, schlug die Stimmung nach der Finanzkrise auf breiter Front um. Das zentrale Versprechen der herrschenden Eliten, dass letztlich alle von ihrer neoliberalen Politik profitieren, war widerlegt oder zumindest stark infrage gestellt. Dementsprechend ist in großen Teilen der Bevölkerung das Ansehen der Eliten massiv gesunken und stellenweise sogar in richtige Wut gegen sie aufgekommen.
Getrennte Lebenswelten
Für die Eliten selbst ist diese Entwicklung nicht nachvollziehbar,. Sie halten die herrschende neoliberale Politik im Kern nach wie vor für alternativlos und führen die negative Haltung weiter Bevölkerungskreise ihnen gegenüber in der Regel auf Unwissen und fehlgeleitete Emotionen zurück. Die tatsächlichen Ursachen bleiben ihnen damit verborgen. Der frühere Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat den entscheidenden Grund für diese Fehleinschätzung Anfang November 2017 in einem Interview mit der Zeit folgendermaßen formuliert: „Schon heute glauben viele Bürger nicht mehr, dass unser Gesellschaftssystem alle gleichermaßen behandelt. Das ist der Hauptvorwurf, den ich den sogenannten Eliten machen: Diesen Leuten fehlt jegliches Verständnis dafür, was ihr Tun in der Gesellschaft auslöst. Die Ignoranz ist enorm.“
Obwohl verwundert, dass ausgerechnet Steinbrück von solcher Ignoranz spricht, der selbst als ausgesprochen abgehobener Politiker gilt – man erinnere sich nur an seine Wahlkampfauftritte 2013 -, so trifft er doch den Kern der Sache. Die Eliten sind in ihrer großen Mehrheit inzwischen so weit von der breiten Bevölkerung entfernt, dass sie zunehmend Schwierigkeiten haben, deren Probleme zu erkennen und die folgen ihrer Entscheidungen für die Bevölkerung zu verstehen.
Die Lebenswelten von Eliten und Bevölkerung haben sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter voneinander entfernt. Das hat in erster Linie mit der enormen Spreizung der Einkommen und Vermögen zu tun. Alle Mitglieder der Eliten verfügen, selbst wenn man den Kreis großzügig definiert, mindestens über ein fünfstelliges Monatseinkommen und gehören damit zum obersten Prozent der Einkommensbezieher. Außerdem verfügen sie in der Regel auch über überdurchschnittliche Vermögen. So können Sie dort Immobilien kaufen bzw. mieten, wo es für die Normalbevölkerung zu teuer ist, oder ihnen gehören solche Immobilien bereits.
Hier ein Bericht aus der F.A.Z im Jahr 2020: Der Erwerb der 4 Millionen Luxus Villa in Berlin durch Jens Spahn und seinem Ehemann Daniel Funke.
Die Abgehobenen um den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz
Es waren turbulente Tage. Die Staatsanwaltschaft durchsuchte zahlreiche Büros in Wien, auch Kanzler Kurz wird als Beschuldigter geführt. Am Wochenende 09./10. Oktober 2021 wurde der Druck zu groß und Sebastian Kurz trat als Bundeskanzler der Republik zurück. Wie im Interview mit der stellvertretenden Chefredakteurin vom Wochenblick und dem Chefredakteur des TV Senders AUF1 zu erfahren, wurden die Chats der österreichischen Polit-Elite durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt. In diesen Chats wird von der Bevölkerung als „Pöbel“ gesprochen. Von der Manipulation der Medien und Meinungsumfragen zugunsten der Wahl von Sebastian Kurz und vieles mehr, was sehr deutlich erkennen lässt, dass Michael Hartmann nicht ganz falsch mit seinen Recherchen liegt. Die Chats zeugen von einer erschreckenden Arroganz und Dekadenz der Schreiber …

Elite heißt Macht ausüben
Elite, das sind jene Personen, die qua Amt oder – wie vor allem in der Wirtschaft – qua Eigentum in der Lage sind, gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich zu beeinflussen. Der zentrale Maßstab für die Zugehörigkeit zu einer Elite ist daher die Macht, über die eine Person verfügt.
NachDenken…
⇒ Kann es sein, dass von Steuern der Bürger bezahlten und von diesen gewählten Politiker sich als etwa besseres als das „gemeine Volk“ sehen?
In Österreich hat man es dank der Staatsanwaltschaft nun schriftlich – gilt das auch für deutsche Politiker?
⇒ wenn ja, wie wirkt sich das auf das Verhalten von Politikern aus?
Laut Michael Hartmann gibt es bei den meisten keinerlei Schuldbewusstsein für begangene, aufgedeckte Fehler. Steuerhinterziehung gehört eher zum „guten Ton“ und ist ein Kavaliersdelikt. Man nehme nur als Beispiel den Cum-Ex-Skandal und schaue sich an wie viele Banker und Politiker darin verwickelt sind. (Buch ab S. 168). Dieser Skandal hat die öffentliche Hand mindestens 31,8 Milliarden Euro gekostet. Im Bundestagsuntersuchungsausschuss bezeichnete Michael Sell, Abteilungsleiter Steuern im Bundesfinanzministerium, das Ganze im Jahre 2016 als „organisierte Kriminalität“ Schuldbewusstsein Fehlanzeige.
⇒ wenn ja, wie wirkt sich das auf die Gesetzgebung aus, geschieht dies zum Wohle des Volkes oder dient dies nur zum Machterhalt der eigenen Kaste?
⇒ gibt es eine Parallelwelt für Politiker außerhalb der laufenden Kameras?
⇒ 1% der Weltbevölkerung besitzen 84% allen Vermögens – kann man bei diesen 1% von Eliten sprechen?
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Quellenangaben:
Michael Hartmann war bis Herbst 2014 Professor für Soziologie an der TU Darmstadt. Sein Schwerpunkt ist Elitenforschung. Hartmann steht für die These, dass Herkunft maßgeblich über den Erfolg entscheidet. Bei Campus sind von ihm mehrere Bücher zum Thema Elite erschienen, zuletzt „Die globale Wirtschaftselite. Eine Legende“ (2016) Das vorliegende Buch erschien 2018 im Campus Verlag.
Dieses Buch und andere von Michael Hartmann gibt es bei den Buchkomplizen: https://www.buchkomplizen.de/die-abgehobenen.html