Guckloch im Gespräch
„Menschen in der Corona-Krise“ Interview mit Hilde, Erzieherin in einer Kindertagesstätte.
Guckloch: Hallo Hilde, Du bist mein erster Gast bei dieser Reihe „Guckloch im Gespräch“ zu diesem Thema und ich bin als Gast bei Dir zu Hause auf Eurem schönen Balkon.
Menschen gehen unterschiedlich mit dieser Krise um und erleben auch die verordneten Einschränkungen des Staates unterschiedlich. Kannst Du sagen wie Du die Krise erlebst, bzw. wie erlebst Du die Einschränkungen beruflich und privat?
Hilde: Ich habe in den nun schon eineinhalb Jahren die Einschränkungen als große Last empfunden, da ich mich sehr eingeschränkt gefühlt habe in meinen Freiheiten und auch in meiner Psyche. Ich bin ein Mensch, der andere Menschen um sich herum braucht, der Freiheit um sich braucht, der Luft braucht um zu atmen, der in den Urlaub fahren will und der auch viel Kreativität im Umgang mit anderen Menschen schöpft. Die Krise hat sich für mich wie eine Zeitlupe, aber keine gute Zeitlupe angefühlt. Als hätte jemand auf eine Stopp-Taste gedrückt und das Leben wird auf einmal auf ein Minimum beschränkt. Das hat mich in meinem Bild, in meiner inneren Freiheit und künstlerischen Entfaltung total eingeschränkt. Ich brauche diesen Input von Menschen und auch von Landschaften, das hat mir sehr gefehlt. Ich war auf einmal auf einen kleinen Raum beschränkt und die ganzen Medien haben sehr viel Unsicherheit verbreitet und ich hatte sehr viel Angst.
Guckloch: Ja, Du warst praktisch wie ein Auto, das geparkt wurde und nicht mehr fahren darf, kann man das so ausdrücken? Du hast ja mehrere Dinge jetzt angesprochen. Der Mensch ist ja ein soziales Wesen und Du arbeitest in einem Kinderhaus, du arbeitest ja mit Menschen.
Hilde: Ja, ich lebe und arbeite mit Menschen, ich lebe von der Freude und vom Vertrauen. Ich erlebe allerdings, gerade in der Krise, auch Misstrauen. Da musste es ja auch sein, dass man den Menschen aus dem Weg geht, das man die ganzen Hygieneregeln einhält. Das habe ich ja auch gerne gemacht. Ich habe Elterngespräche mit Masken gemacht und das war und ist schwer für mich. Die ganze pädagogische Arbeit am Kind und mit den Mitarbeitern ist anstrengender. Man kann sagen wie ein Auto, das Auto fährt sehr, sehr langsam. Es muss noch fahren, sonst wäre es ein Stillstand. Man sieht das sich andere auch bewegen, nicht alle, manche langsam, manche in einem schnelleren Tempo. Manche wollen gar nicht fahren und haben Angst. Das ist so ein Bild für mich. Ich habe mich gefühlt als hätte jemand die Handbremse gezogen.
Guckloch: Ich habe gehört, dass Ihr gerne reist. Wart Ihr jetzt in dieser Zeit gar nicht mehr weg?
Hilde: Wir hatten vieles geplant, z. B. Lago Maggiore, Cornwall. Ich reise sehr gerne aber das war eben nicht möglich. Wir waren in den neuen Bundesländern und das was sehr bereichernd. Ich bin dann mit den Medien im Internet gereist. Ich habe ein tolles Buch über Rom gelesen und Lust bekommen, in diese schöne Stadt zu reisen. (ich könnte Reiseführerin in Rom machen). Das ist sehr literarisch, kulinarisch und auch aus künstlerischer Sicht geschrieben. Das wurde von einem Deutschen Schriftsteller geschrieben, der in der Villa Visconti in Rom gelebt hat. Er hat eben aus seiner Sicht beschrieben, wie man Rom bereisen kann, so würde ich das gerne machen! Ich habe virtuell die kleinen Gasthäuser, Parks, Kirchen, kulinarische Tipps besucht und hatte viel Spaß daran. Ich habe auch Spaß daran, Sprachen zu lernen und lerne und vertiefe momentan jeden Tag mein Spanisch.
Guckloch: Als Vorbereitung auf die nächste Reise?
Hilde: Als Vorbereitung auf die nächste Reise, auch als Vorfreude darauf, das brauche ich immer – eine Vorfreude, die ich über die Bücher als Vorbereitung bekomme. Das lässt mein Herz wachsen.
Guckloch: Manchmal ist die Vorfreude ja bekanntlich die schönste Freude
Hilde: Ja genau!
Guckloch: Von den ganzen Einschränkungen, gab es da etwas, was Du als besonders schlimm empfunden hast?
Hilde: Ja, meine Mutter wohnt in Nürnberg. Sie ist schon 87 und wir konnten Sie nicht besuchen. Sie war nicht geimpft und wir waren es auch nicht. Sie hatte sich eine Fraktur zugezogen und kam dann in eine Reha und wir durften sie leider nicht besuchen. Sie hat angerufen, dass Sie einsam ist und es Ihr langweilig ist. Das war schon schwer auszuhalten und zu ertragen. Sie hat meine Hilfe gebraucht. Ich habe dann in der Reha bei der Seelsorgerin angerufen, die sehr nett war. Die Seelsorgerin hat sie sehr oft besucht und mit Ihr gesprochen. Wir haben Blumen geschickt aber das ersetzt die menschliche Nähe nicht. Das war für mich alles sehr einschneidend. Ich bin sehr dankbar, dass ich einen Partner habe, aber ich habe auch einige Freunde die Single sind, die sehr leiden unter den ganzen Einschränkungen. In dieser Situation machen sie dann noch Homeoffice und vereinsamen wie meine Mama buchstäblich oder werden depressiv.
Guckloch: Ich sehe das ja auch, da ist die Oma oder Opa, die Ihre Enkelkinder nicht mehr in den Arm nehmen dürfen. Die fragen dann auch zum Teil, warum sie nicht selbst entscheiden dürfen, ob sie das Risiko eingehen wollen oder nicht? Ich erlebe ja auch vieles und sehe auch wie Du, das besonders Singles noch mehr vereinsamen, wenn dann noch z. B. das dauerhaft schlechte Wetter als äußerer Umstand dazukommt, teilweise depressiv werden. Wie erlebst Du die Einschränkungen in der Firma, bzw. im Kinderhaus? Denkst Du das war/ist zu krass, zu viel oder eher zu wenig? Könnt Ihr damit einigermaßen leben?
Hilde: Ja das war schon krass, aber man muss damit leben. Man versucht dann einfach das Beste zu machen. Man muss die Kinder anleiten zum Händewaschen, desinfiziert alles und macht Corona-Tests. Man erinnert die Eltern, wie sie sich an die Regeln zu halten haben. Das waren schon schlimme Einschränkungen, weil auch die Gemeinschaft verloren gegangen ist. Man ist in der eigenen Gruppe isoliert, man darf sich nicht mit den anderen Gruppen mischen. Wir haben sonst immer was zusammen gemacht. Wir haben zusammen gesungen, Feste gefeiert, viele Sachen Gruppen-übergreifend gemacht und so weiter. Das ist schon hart, insbesondere auch für die Kinder, ein Dreijähriger versteht das nicht so gut warum er das jetzt nicht mehr darf oder er nicht in die Notbetreuung darf. Es war extrem hart für die Erzieher und auch für die Eltern. Dann gab es auch Notdienst, d. h. es durften nur bestimmte Kinder kommen.
Guckloch: Das waren dann Kinder von „systemrelevanten“ Eltern?
Hilde: Ja, von systemrelevanten Eltern, aber die Politik war sich hier auch nicht einig. So haben die Kinder und Eltern sehr darunter gelitten. Wir haben dann ein Kinder – Radiohaus gemacht und dort Aufnahmen erstellt. Haben Bücher vorgelesen, es gab Bastelanleitungen, ein Lied aufgenommen und Ideen gegen die Langeweile ins Netz gestellt. Das konnten die Kinder sich dann zu Hause (im Lockdown) anhören und haben sich dadurch mit dem Kinderhaus verbunden gefühlt. Nach einer gewissen Zeit haben/sollten wir bei unseren Bezugskindern dann zu hause anrufen und fragen, wie es Ihnen geht. Dabei ging es 98 % der Kinder sehr schlecht. Die Eltern mussten Homeoffice machen, die Oma durfte nicht kommen. Die ganze Familie war gestresst. Am Anfang waren auch die Schulkinder zu Hause. Die fanden die Situation cool. Die Eltern haben dann auch gekämpft mit den Schulkindern, mussten Ihnen Aufgaben beibringen. Irgendwann haben die Kinder auch nicht mehr auf die Eltern gehört.Ich habe in meinem Bekanntenkreis Eltern, die haben 3 Kinder, die mussten dann 3 Laptops kaufen, 3 Drucker und so weiter, es mussten viele Investitionen getätigt werden. Die Verbindung übers Internet war teils überlastet. Viele Kinder hatten am Tag auch unterschiedliche Lehrer. Das war eine extrem harte Zeit, manche Kinder kommen auch ganz durcheinander, darf ich jetzt gehen, darf ich nicht gehen? Ich hatte z. B. ein dreijähriges Kind, das war erst 3 Monate im Kinderhaus, dann 3 Monate im Lockdown und hat dann nach dem Lockdown gefragt: Darf ich jetzt in die Schule? Die Kinder verstehen vieles einfach nicht. Die Eltern und Kinder waren dann so dankbar, wie so ein bisschen Normalität einkehrte und der Lockdown vorbei war.
Guckloch:Da habe ich eine Anschlussfrage – wäre Homeschooling ein Zukunftsmodell für Kinder – kannst Du da eine Aussage machen?
Hilde: Nein, unser Kindergarten ist ja fast wie so eine Familie. Die Kinder sind sozial integriert, pflegen Freundschaften, sie setzen sich auseinander mit den anderen Kindern und Gruppen. Die kognitive Förderung ist wichtig aber noch mehr die soziale Integration. Sie lernen was fürs Leben über das Miteinander. Wenn die Kinder nur zu Hause sind, wachsen da , sag ich jetzt mal, Egoisten heran. Das betrifft ja auch unsere Gesellschaft. Im miteinander lernt man sich mit dem Leben auseinander zu setzen. Wenn ein Einzelkind zu Hause ist mit den Eltern die im Homeoffice sind, hat es keine sozialen Kontakte mehr. Diese sozialen Kontakte sind existenziell. Ich würde das niemals befürworten für Kinder. Weder für Kindergartenkinder, noch für Schulkinder.
Guckloch: Kinder brauchen im Gegensatz zu den Erwachsenen umso mehr die sozialen Kontakte
Hilde: Ja auch das Lernen miteinander und die Reifung, das Ideen sammeln in der Gruppe. Da hat jeder eine andere Idee wie man etwas machen oder lösen könnte. Da kann dann was Tolles entstehen. Man kann lernen, wachsen und kann sich dann auch besser entfalten. Wenn ich alleine bin, habe ich halt nur meine beschränkten Möglichkeiten und Ideen. Das Miteinander ist enorm wichtig für die Persönlichkeitsentfaltung, aber auch für die Erfahrung der nötigen Grenzen.
Guckloch: Da kann man als Kind dann schon lernen, eine andere Meinung zu akzeptieren oder auch damit umzugehen.
Hilde: Ja, damit umzugehen. Viele Eltern haben Probleme und haben Angst davor, den Kindern Grenzen zu setzen. Das ist ein ganz, ganz großes Thema im Kindergarten, aber auch in der Gesellschaft und das ist nicht gut. Die Kinder brauchen dringend Grenzen. Sie fordern sie sogar ein.
Guckloch: Du Hast Anfangs das Thema Angst erwähnt, Du erlebst Angst – Hast Du konkret Angst vor dem Virus oder vor was hast Du Angst?
Hilde: Ich habe nicht Angst vor dem Virus, sondern das meine Seele Schaden nimmt, das ich reduziert werde auf meine Wohnung, auf Menschen ohne Gesichter, nur mit Maske. Sehr viel Misstrauen war da bei der ersten Welle, habe ich genug Essen zu Hause und wie wird das dann wohl weitergehen? Wie kann ich mich vor Ansteckung schützen? Das sind so existenzielle Fragen und es macht mir schon Angst, wenn ich die ganzen Patienten auf den Covid19 Intensivstationen sehe. Das macht mich betroffen und ich bin dankbar dass ich kein Covid19 hatte. Ich wurde jetzt 2-mal geimpft und es macht mir mehr Angst das ich seelisch, also so in mir drinnen, vereinsame und ich sehe keine Fortschritte im Moment. Ich versuche, mich weiterzubilden mit Sprachen und lese extrem viel. Ich versuche, innerliche zur Ruhe zu kommen. Mein Mann und ich sprechen viel miteinander. Input aus Medien und sonstiges geht sehr schnell und ändert sich permanent. Ich habe das Gefühl, dass es meiner Seele nicht guttut – ich weiß nicht wie ich es ausdrücken soll, es ist als würde ich innerlich schrumpfen, vereinsamen.
Guckloch: Das Menschliche Miteinander wird ja durch die Maßnahmen ja auch verboten, das macht es nicht leichter.
Hilde: Die Kunst ist dann in dem wenigen, was einem verbleibt, zu probieren, das Schöne zu finden. Wenn ich mir eine Blume oder die Natur anschaue, ein schönes Lied höre und indem ich einfach für mich selber sorge. Aber ich fühle mich trotzdem einfach sehr reduziert, ja, einfach sehr beschränkt, nicht wirklich frei.
Guckloch: Von Anfang haben die Medien mit voller „medialer Wucht“ Angst und Panik verbreitet, alle oder die meisten Medien – man könnte fast meinen, in einer konzertierten Aktion. Das macht ja auch was mit einem, man kann sich dem ja kaum entziehen. Wir haben in der Firma ein Radio, da hört man den ganzen Tag fast nichts anderes als Corona, das nervt zum einen und zum anderen fällt es schwerer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ich schalte dann bewusst auch mal die Medien aus für einen Tag, mache einen „Digitalen Detox“. Dadurch klinke ich mich dann aus und es tut einem einfach gut. Zum anderen gehe ich in die Natur, in den Wald, das ist auch schön und ist auch heilsam. Die Angst wird in den Medien nach wie vor hochgehalten. Wie würdest Du Deine Angst auf einer Skala von 0 – 10 einschätzen – 0 ist keine, 10 ist sehr stark?
Hilde: Also meine Angst? – wir sind ja jetzt schon am Ende des Tunnels angekommen – es war ja auch schon anders – jetzt gibt es Hoffnung und es ist absehbar. Ich würde jetzt sagen, ich bin bei 6.
Guckloch: Was war das für eine Angst, Du sagtest Du hast Angst, das Deine Seele verkümmert, das Deine Seele Schaden nimmt und Du Dein Mensch-sein nicht mehr ausleben kannst, so habe ich das verstanden. Es war also keine Todesangst, das Du durch Ansteckung sterben könntest?
Hilde: Genau, Corona war jetzt eine lange Zeit permanent präsent und es macht ja auch was mit einem, nämlich das man so nicht mehr kreativ sein kann, keine Freude mehr verspürt, das man depressiv wird, die Stimmung ist dann bedrückt. Wenn man das ständig hört und das ist ja tatsächlich so eine Medien-Überflutung, ist das schon furchtbar. Ich habe eine Bekannte die war auf einer Long-Covid Kur und hat viele junge Leute gesehen, die diese Long-Covid-Symptome haben. Dann geht das einem sehr, sehr nahe. In meinem Bekanntenkreis ist auch eine Tante und ein junger Mann mit 55 Jahren gestorben. Das ist traurig. Ich wünsche mir wieder frei zu sein und das diese blöde Situation einfach verschwindet. Ja, man muss auch in diesem beschränktem Rahmen versuchen, das Beste draus zu machen. Manchmal gelingt es und manchmal auch nicht.
Guckloch: Es gibt sehr viele Bücher über das Thema Angst. Hier wird in allen beschrieben, dass die Angst die eigene Wahrnehmung sehr reduziert und das Blickfeld einschränkt. Der Mensch sei dann sogar auf das „Reptiliengehirn“ reduziert, nur noch auf den Überlebenswunsch- wohin kann ich flüchten! Wenn Deine Angst auf der Skala 0 – 10 eine 6 ist, kann man seine Entscheidungen immer noch frei treffen und beurteilen, oder wie siehst Du das?
Hilde: Doch, das kann ich sehr wohl beurteilen. Ich finde auch für mich Wege mit dieser Angst, auszubrechen oder jetzt etwas zu tun, was mir guttut. Zu hinterfragen, warum ist das so. Die Sache mit den Medien ist schon ein großer Punkt, mein Mann z. B. verträgt mehr an Input, er braucht das auch regelrecht. Das ist für Ihn auch wichtig, das hat auch was mit Bildung zu tun. Mir wird es dagegen oft zu viel und ich vertrage nur ein gewisses Maß an Medien-Input. Ich habe Freundinnen, die auch Coronagegner oder Coronaleugner sind, die mir ständig viele Sachen zuschicken, das ist fast wie ein „zu-müllen“ Die waren z. B. in Berlin und sagen, das ist falsch was die Medien darstellen. Natürlich muss man sich damit auseinandersetzen, ich habe auch darüber nachgedacht. Aber ich habe den Leuten gesagt, ich denke darüber anders und möchte das nicht mehr hören und ich beantworte dann auch diese WhatsApp Nachrichten oder Mails nicht mehr. Es ist wichtig Wege zu finden, aus dieser Angst herauszukommen und das sie mich nicht so gefangen nimmt. Dann kann ich nicht mehr atmen und nicht mehr leben. Wir sind ja hoffentlich am Ende von dieser Pandemie.
Guckloch:Ja die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Die sogenannten „Inzidenzen“ sind ja auch saisonal bedingt ziemlich unten. Wenn das Wetter schöner und wärmer wird, gibt es ja weniger Infektionen. Wie es weitergeht, wird sich zeigen.
Hilde: Ja und das Thema Tod gehört ja auch zu dieser Angst und damit setzt man sich ja nicht so gerne auseinander. Das Thema rückt einem dann schon ziemlich auf die Pelle, das ist dann unheimlich. Ich bin Christ und glaube an das Leben nach dem Tod und ich weiß, dass es dann gut weitergeht. Das gibt mir sehr viel Hoffnung aber nichtsdestotrotz hänge ich total an diesem Leben.
Guckloch: Ja, hier wird man sehr mit dem Tod konfrontiert, viele Menschen schieben das Thema von sich weg. In anderen Ländern geht man ganz anders mit dem Tod um, da gehört der Tod zum Leben.
Hilde: Das ist ja auch was die Wissenschaftler sagen, die Menschen in Deutschland und Europa werden immer älter. Ich komme nicht aus Deutschland, ich bin Spätaussiedler und komme aus Siebenbürgen in Rumänien.
Guckloch: Ich auch lange Jahre Bekannte aus Siebenbürgen.
Hilde: Da war es so, das ich auf dem Bauernhof gearbeitet habe. Meine Eltern auch und das war eine sehr schwere Zeit für sie. Die schwere Feldarbeit, der Bauernhof, die ganzen kommunistischen Restriktionen. Da war es gang und gäbe, das man mit 60 bis 68 Jahren gestorben ist. Das war dann schon ein hohes Alter.
Guckloch: In Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 82 Jahren. Wir hatten schon über die Maßnahmen der Regierung gesprochen. Über die Verhältnismäßigkeit gibt es ja unterschiedliche Meinungen. Wie siehst Du das, hat die Regierung das gut gemacht, hast Du Verständnis dafür oder würdest Du manche Dinge komplett anders machen?
Hilde: Ich sehe das so, das die das Problem ja noch nie so hatten. Sie sind mit dieser Situation gewachsen und ich finde sie haben das sehr gut gemacht. Die Bundeskanzlerin hat sich lange herausgehalten, aber dann war Sie richtig aktiv und hat Verantwortung übernommen. Sie hat versucht, zu vermitteln und zu leiten. Natürlich haben sie Fehler gemacht aber ich bin total dankbar, dass ich in Deutschland bin, das ich diese Politiker hab und diese Regierung, die die richtigen Schritte sucht. Schaut das die Gesetze eingehalten werden, die Armen und die Reichen, die Rechten und die Linken im Dialog hält und in ein Boot holt. Ich komme ja aus einem ehemaligen kommunistischem Land, das ist ein totaler Unterschied. Das war ähnlich wie in der DDR, da durfte man noch nicht mal laut denken. Ich bin heilfroh, dass ich diese Politiker habe und in einer Demokratie leben darf. Natürlich war da irgendwas mit der Maskenaffäre oder Korruption drin. Die Parteien waren sich nicht immer einig, ein Politiker wollte schneller aufmachen, der andere noch zu lassen. Ich bin dennoch sehr dankbar.
Guckloch: Hast Du auch Verständnis für andere, die das nicht so sehen – oder sagst Du nein, mit denen möchte ich nichts zu tun haben. Gibt es ein Stück weit Verständnis für Leute, die gegen Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen auf die Straße gehen oder würdest Du sagen, nein das geht überhaupt nicht?
Hilde: Da habe ich totales Verständnis, wenn Leute auf die Straße gehen und sagen ich sehe das anders. Wir haben Demonstrationsrecht und ich habe totales Verständnis. Ich habe schon Angst, wenn sich Rechtsradikale da mit reinmischen und dann für Ihre Zwecke manipulieren, Randale machen, da habe ich dann Null Verständnis. Da muss der Staat dann auch durchgreifen. Aber wenn jemand friedlich demonstriert, da habe ich vollstes Verständnis.
Guckloch: Ich hatte ein Interview mit Michael Ballweg, dem Initiator von Querdenken, gesehen, wo er erzählt das vom Kleinkind bis zur Oma alles auf den Demonstrationen vertreten ist. Da gibt es natürlich keine Eingangskontrollen wer da alles auf die Demo kommt. In Berlin waren es mehr als 1 Million Teilnehmer, da ist Eingangskontrolle gar nicht machbar. Da gab es halt wenige Reichsbürger, die sich profilieren wollten und auf die wird dann geschaut. Das war aber am Reichstag und nicht auf der Demo. So habe ich das im Interview mit ihm mitbekommen. Ich gebe Dir recht, Demonstrationsrecht muss gewährleistet werden sonst ist die Demokratie in Gefahr.
Hilde: Ich habe aber kein Verständnis, wenn man Steine schmeißt, und Geschäfte plündert.
Guckloch: Das waren aber nach meiner Info nur ein paar wenige.
Hilde: Ich glaub das sind ganz viele, die das eben bewusst tun und sich untermischen. Das ist eine große Gefahr. Meiner Meinung nach müsste Michael Ballweg ein klares Statement abgeben, das es sich uneingeschränkt von den „Rechten“ distanziert, aber vielleicht hat er das schon längst getan.
Guckloch: Er hat schon nach der Demo in Berlin eine öffentliche Presseerklärung dazu abgegeben. Ich weiß nur nicht, ob das von den Mainstream-Medien veröffentlicht wurde. Ich habe auch Videos von Demonstrationen gesehen wo er immer folgendes in der Eröffnung vorliest: „Wir sind Demokraten. Wir sind eine friedliche Bewegung, in der Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut keinen Platz hat.“
Guckloch: Woher hast Du diese Informationen über die Rechten auf den Demos – aus den Medien?
Hilde: Aus den Medien ja und man kriegt auch so mit wie die Rechten hetzen.
Guckloch: Ich war in Stuttgart auf einer großen Demo und habe das friedlich erlebt. Ich habe aus Interesse mit einigen Leuten gesprochen.
Hilde: Das ist ein schwieriges Thema. Mit den Rechten – wenn mal die Mitte des Volkes aufsteht und Farbe bekennt… gegen rechts… das wäre höchste Zeit. Wir sind alle so lethargisch und lau.
Guckloch: Uns geht’s ja auch gut. Ich zum Beispiel konnte während der ganzen Zeit immer arbeiten, jeden Tag mit dem Auto zur Firma fahren. Der Friseur oder der Gastronom haben das ganz anders erlebt.
Hilde: Da gehen Existenzen kaputt, vielleicht auch Familien. Da habe ich volles Verständnis, das man auf die Straße geht. Wenn das Gehalt wegfällt und du die Miete weiter zahlen musst, da kann man schon eine Wut kriegen. Es war auch erstaunlich, wie viele Gelder auf einmal locker gemacht wurden von der Politik.
Guckloch: Ja, die Gelddruckmaschinen wurden angeworfen. Die Frage stellt sich, wer zahlt das am Ende? Du hattest auch das Thema Impfen angesprochen. Es gibt hier ja auch einen großen politisch-medialen Druck. Die Regierung hat ja gesagt, erst wenn alle geimpft sind, gibt es wieder ein normales Leben. Ich möchte jetzt nicht beurteilen, ob das richtig oder falsch ist. Hast Du das auch als Druck empfunden?
Hilde: Überhaupt nicht, Druck wäre, wenn sie sagen, jeder muss sich impfen lassen. Vielleicht sagen sie es indirekt, aber vom rechtlichen ist es nicht so. Jeder der möchte, soll sich impfen lassen und wer das nicht möchte, eben nicht. Es ist ja nicht wie in China der total überwachte Staat, sondern es ist ja Gott sei Dank so, das das jeder für sich selber entscheiden kann und auch ohne Wertung – lass ich mich impfen oder nicht. Ich habe zwei unterschiedliche Impfstoffe bekommen. Ich hatte da einfach, sag ich mal, ein gutes Gefühl gehabt. Ich hatte mich auch vorher informiert, was kann alles passieren und hatte da einfach auch ein Vertrauen.
Guckloch: Ich hatte Dich so verstanden, das Du Vertrauen in die Regierung hast und das der Impfstoff etwas positives ist?
Hilde: Nicht nur in die Regierung, sondern auch in die ganzen Ärzte und in diejenigen, die die Impfstoffe zulassen. Der Impfstoff wurde ja vorher auch schon erprobt, natürlich im Schnellverfahren entwickelt. Ich habe aber ein gewisses Grundvertrauen, das wird schon gut gehen.
Guckloch: War das also nicht so, das Du gesagt hast, jetzt will ich wieder reisen, also lass ich mich impfen?
Hilde: Nein, ans Reisen habe ich jetzt nicht gedacht. Das wird man wahrscheinlich brauchen, aber ich wollte einfach für mich was Stimmiges und habe jetzt einfach vertraut, das das nichts Schlechtes ist. Natürlich gibt’s nicht genügend Studien aber wir sind Erwachsene wir können selber für uns entscheiden und Verantwortung für uns übernehmen. Bei Kindern ist das nochmal was anderes. Wenn ich jetzt Kinder hätte, würde ich auch erst mal die Langzeitstudien abwarten.
Guckloch: Bei Kindern ist die Ansteckungsgefahr ja auch nicht so groß wie bei den Erwachsenen. Hilde, jetzt habe ich noch eine Frage zum Abschluss: Wo steht Deutschland in 5 Jahren und wo steht Hilde in 5 Jahren?
Hilde: Wo steht Deutschland in 5 Jahren?
Guckloch: Wo siehst Du Deutschland in 5 Jahren, könnte ich auch fragen. Du sagtest ja schon es gibt ein Licht am Ende des Tunnels?
Hilde: Mein Partner und ich setzen uns ein für Umweltschutz, dafür das mehr unternommen wird. Auch beimThema Ausbeutung.
Guckloch: Wie meinst Du das – Ausbeutung der Erde, der Rohstoffe?
Hilde: Ja wir brauchen mehr biologische Produkte. Mein Mann nimmt mich da mit ins Boot. Wir müssen unsere Produkte nachverfolgen können. Ausbeutung ist, wenn man Sojafelder anbaut und den Bauern in Südamerika das Wasser wegnimmt. Das Monsanto nicht alles vergiftet. Die Umverteilung von Lebensmitteln ist auch katastrophal, es gibt so viele Reiche, die was abgeben könnten. Wir helfen bei Ärzten ohne Grenzen und unterstützen Umweltprojekte. Es wäre gut, wenn wir in Deutschland auch eine Regierung bekommen, die hierzu auch Druck macht und innovativ handelt. Die jungen Leute machen hier auch Hoffnung, die in Sachen Umweltschutz auf die Straße gehen und sich intensiv einsetzen. Obwohl wir ein Wohlstandland sind, gibt es doch sehr viele Arme. Besonders auch Kinder, da wünsche ich mir, dass die Regierung mehr hinschaut.
Deutschland in 5 Jahren – Ich wünsche mir, dass in Deutschland und in Europa Frieden bleibt. China wird Weltmacht. In Russland, in der Türkei, Polen, Ungarn und Brasilien gibt es einige Verrückte an der Regierung. Bei uns wünsche ich mir, dass wir daraus lernen … hinschauen was passiert. Es ist niemals selbstverständlich, in einer Demokratie zu leben. Was meine Ehe und mein Privatleben betrifft, gab es immer wieder schöne und anstrengende Herausforderungen. Ich hoffe, wenn wir in 5 Jahren wieder unsere Freiheit haben, diese auch durch die Gesellschaft und auch durch unser soziales Miteinander wieder mehr wertschätzen und genießen können.
Guckloch: Manches kann man erst wertschätzen, wenn man es nicht mehr hat.
Hilde: Genau, das mit Corona war jetzt wie ein Schuss vor den Bug, etwas unerwünschtes. Es war wie ein falscher Film. Bei mir kommt meine aktuelle Fraktur dazu – es kann also nur besser werden.
Guckloch: Du redest bei Corona schon in der Vergangenheitsform, das finde ich gut. Hilde, wir sind jetzt schon am Ende angekommen und ich wünsche Dir Gute Besserung mit Deinem Bein, das Du wieder Dein Mensch-sein ausleben kannst so wie Du es beschrieben hast und das Du die Freude wieder erleben kannst. Ich wünsche mir auch für uns alle, das wir in Zukunft wieder unsere Freiheit wertschätzen können und bedanke mich ganz herzlich für das Interview.
Hilde: Ja, sehr gerne.