Offener Brief an die Kultusministerin Baden -Württemberg, Frau Theresa Schopper
An das
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg
Thouretstraße 6
70173 Stuttgart
c/o Theresa Schopper
und an die
Landeszentrale für politische Bildung BW
Offener Brief
Sehr geehrte Frau Schopper,
ich wende mich an Sie als Verantwortung Tragende für das Informationsmaterial, das an die Schüler in Baden-Württemberg herausgegeben wird. Es hat mich schockiert, als mir die Broschüre „Krieg in der Ukraine – Putins Angriff auf den Frieden“ aus der Reihe „Mach’s klar“ in die Hände gefallen ist. An Informationsmaterial für Schüler stelle ich grundsätzlich den Anspruch, dass es ausgewogen und faktenorientiert ist und dass es weder manipuliert, noch Emotionen erzeugt. Genau dies ist aber hier der Fall.
Auf der Vorderseite sieht man einen Lastwagen, auf welchem Soldaten sitzen. Es wird ihnen der Ausspruch in den Mund gelegt: „Sie sehen aus wie Menschen, aber es sind blutrünstige, hasserfüllte Monster.“ Auf den ersten Blick möchte man – auf Grund der durch die Massenmedien transportierten Solidarität mit der Ukraine – meinen, dass es sich um ukrainische Soldaten handelt, auf dem Weg in den Kampf, die dieses Urteil über ihre Feinde fällen. Schüler und auch unkritische Erwachsene werden hierdurch dazu verleitet, diesem Urteil zuzustimmen und damit ein Bild von russischen Soldaten als „Untermenschen“ zu erzeugen. Damit würde genau in die Kerbe gehauen werden, die noch von der Nazi-Propaganda während des II. Weltkriegs erhalten geblieben ist.
Ist es das, was gewollt wird? Eine rassistische General-Verurteilung eines ganzen Volkes? Ein Wiederholen faschistischer Propaganda-Parolen?
Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich bei dem Lastwagen um einen russischen Lastwagen handelt: zu erkennen an dem roten Stern auf der Seite und an dem – in kyrillischer Schrift geschriebenen – Wort „Rossija“, russisch für „Russland“. Das heißt also: Man legt russischen Soldaten diesen Ausspruch über ukrainische Soldaten in den Mund und unterstellt ihnen damit, dass sie in solch rassistischer, generalisierender und herabwürdigender Weise über ihre Gegner denken. Womit können die Verfasser dieser Broschüre belegen, dass diese Denkweise unter russischen Soldaten üblich ist? Warum soll dieses Bild erzeugt werden? Welchem pädagogischen Zweck dient es, wenn ein solches menschenverachtendes Bild der einen oder der anderen der kriegführenden Parteien zugeschrieben wird, ohne dass die Schüler gleichzeitig dazu angehalten werden, diese Ausspruch zu hinterfragen, seine rassistische und inhumane Tendenz zu erkennen und ihn historisch in die Reihe ähnlicher Urteile und Sprüche zu stellen, wie wir sie aus der nationalsozialistischen Vergangenheit gegenüber Juden, Sinti, Roma, Homosexuellen und anderen Gruppen kennen.
Es gibt genügend Anlass, darauf hinzuweisen, dass in der Ukraine faschistische Kräfte am Werk sind. Das Urteil über die Russen als Nicht-Menschen kommt aus dem Munde eines ehemaligen ukrainischen Soldaten, der in Ferienlagern Kinder und Jugendliche an den Waffen ausbildet. Siehe Euronews vom 14.11.2018:
https://de.euronews.com/2018/11/13/ukrainische-ferienlager-schiesst-auf-alle-separatisten
Dort hört man (Zitat): „Wir zielen niemals auf Menschen, nie. Aber Separatisten und aus Moskau kommende Besatzer betrachten wir nicht als Menschen. Deswegen könnt und sollt ihr auf sie schießen.“
Sollte es nicht ein pädagogisches Ziel sein, bei Schülern darauf hin zu wirken, dass keine Vorverurteilung von Völkern, Rassen und Gruppen stattfindet? Auch und gerade dann, wenn ein militärischer Konflikt stattfindet?
Sollte es nicht ein pädagogisches Ziel sein, Schülern Informationen von solcher Art an die Hand zu geben, dass sie bei einem militärischen Konflikt die historischen Hintergründe und die zugrundeliegende Interessen der dahinter stehenden Großmächte erkennen? Sollten sie nicht lernen, Propaganda kritisch zu durchschauen? Sollten sie nicht Kriegsgründe und Kriegsziele in Relation setzen können zu früheren militärischen Konflikten? Da wäre es doch an der Zeit, die Angriffe der USA und deren assoziierten Staaten auf Afghanistan, Irak und Libyen zu erwähnen, oder den Angriff der NATO auf Jugoslawien.
Es wäre auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die westlichen Staaten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der russischen Führung 1991 versprochen haben, dass die NATO sich nicht auf osteuropäische Länder ausdehnen wird. Und was ist seitdem geschehen? Das sind Fakten, welche die Schüler kennen sollten, bevor man sie in Richtung einer einseitigen und nicht hinreichend begründeten Stellungnahme manipuliert. Schon der Titel der Broschüre „Krieg in der Ukraine – Putins Angriff auf den Frieden“ ist manipulativ. Zwar ist es richtig, dass jeglicher Angriff auf ein anderes Land völkerrechtswidrig ist, aber das waren die Angriffe auf Afghanistan, Irak, Libyen und Jugoslawien ebenfalls.
Ich finde diese Broschüre skandalös. Es ist beschämend, dass an deutschen Schulen Material verteilt werden soll, das sich eindeutig als manipulativ und propagandistisch erweist.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Spreemann
Ich kann dem, was Jürgen Spreemann schreibt, nur zustimmen. Eltern sollten sich auf den Erziehungsauftrag der Schule verlassen können und nicht befürchten müssen, dass das Bildungswesen die prägenden Jahre eine Kindes dazu missbraucht, Haltungen und Vorurteile in die Köpfe derer zu implantieren, die unsere Generation mal unterstützen soll, in welchem Bereich auch immer.
Ich kann mich an meine Schulzeit erinnern, da war immer von den „bösen Russen“ die Rede. Selbst von Comiczeichnern wurde diese „Doktrin“ übernommen. „Eckart, die Russen kommen!“ bei Werner. Immer waren die Russen die Schlimmen. Dass diese Propaganda der USA so anstandslos und aktuell schlimmer denn je von Deutschland übernommen wurde und wird, das erschreckt mich am allermeisten.